Was tun wir eigentlich, wenn wir prompten? Über Sprache, Anspruch und Begehren im Umgang mit künstlicher Intelligenz

 

Kaum ein Begriff hat sich im letzten Jahr so schnell verbreitet wie das Wort „Prompt“. Gemeint ist die Anweisung, mit der wir ein KI-Modell wie ChatGPT dazu bringen, für uns einen Text zu schreiben, einen Plan zu entwerfen, ein Problem zu lösen. Prompten ist eine neue Kulturtechnik – und sie verändert unseren Umgang mit Sprache, Autorität und Wissen.

Doch was tun wir da eigentlich, wenn wir prompten? Was wird angesprochen, wenn ich ein sprachliches Kommando an ein System richte, das weder ein Mensch noch ein Gegenüber im klassischen Sinn ist – und das dennoch für mich tätig wird?

Dieser Blogbeitrag will versuchen, diesen Vorgang – das Prompten – nicht nur zu beschreiben, sondern auch psychoanalytisch zu deuten. Denn hinter der scheinbar neutralen Anfrage an eine künstliche Intelligenz verbergen sich Strukturen, die aus der Psychoanalyse vertraut sind: Anspruch, Erwartung, Begehren – und die nie ganz zu erfüllende Hoffnung, gehört zu werden.

 

Was ist ein Prompt?

 

In der technischen Definition ist ein Prompt eine Eingabe, ein Befehl oder eine Anfrage an ein KI-System. Das Prompt formuliert eine Aufgabe in Sprache. Zum Beispiel: „Schreibe mir einen Blogartikel über das Thema X“ oder „Formuliere einen Trennungstext in höflichem Ton“.

Die Besonderheit liegt darin, dass der Mensch – also der User – dabei nicht mehr nur Leser oder Empfänger ist, sondern Autor im Modus des Wünschens. Wer promptet, verlangt. Und wer verlangt, ruft eine Beziehung auf.

Auch wenn ChatGPT keine eigene Subjektivität besitzt, wird durch das sprachliche Setting eine Szene hergestellt: Ich sage etwas – damit mir etwas gesagt werde.

 

Sprache als Anspruch

 

Freud zufolge ist Sprache nie nur Mitteilung. Sie ist immer auch Handlung. Ein Versprecher, eine Auslassung, eine doppelte Verneinung – all das ist für die Psychoanalyse nicht zufällig, sondern Ausdruck eines unbewussten Wunsches.

Im Fall des Promptens ist interessant, dass Sprache wieder zu dem wird, was sie in der frühen Kindheit war: ein Ruf. Ein Anspruch auf Aufmerksamkeit. Wer promptet, erwartet ein Ergebnis. Doch worauf genau gründet dieser Anspruch?

In der zwischenmenschlichen Beziehung lässt sich der Anspruch auf Gegenseitigkeit, auf Anerkennung oder Fürsorge gründen – etwa: „Ich habe dir geholfen, jetzt hilf du mir.“ Aber was ist die Grundlage für einen Anspruch an ein nicht-menschliches Gegenüber?

 

Vielleicht ist es der Glaube, dass die Maschine objektiv ist. Dass sie mehr weiß. Dass sie besser rechnen kann, besser erinnern, besser kombinieren. Der Anspruch wäre dann: Sei klüger als ich. Und löse, was ich nicht zu lösen vermag. Aber schon das verweist auf eine Projektion: ein Über-Ich in technischer Form. Eine neue Form der Autorität – befreit von Affekt, aber ausgestattet mit Zugriff.

 

Begehren an ein Nicht-Subjekt?

 

Der Anspruch ist nicht gleich dem Begehren. In der Lacanschen Theorie richtet sich das Begehren nie einfach auf das Objekt, sondern auf das, was im Objekt fehlt.

Deshalb begehren wir nicht das, was wir haben können, sondern das, was uns entzogen ist – das, was fehlt, das, was uns konstituiert durch seine Unerreichbarkeit. Lacan formulierte: „Das Begehren ist das Begehren des Anderen.“ Und weiter: „Das Begehren zielt nicht auf das Objekt, sondern auf das Begehren selbst.“

Wenn wir nun eine KI prompten – also ein System, das selbst kein Begehren hat, keine Lücke, kein Nicht-Wissen, kein Unbewusstes –, was geschieht dann mit unserem eigenen Begehren?

Vielleicht erleben wir es als umso ungestörter: Wir erhalten, was wir verlangen. Oder zumindest: eine Reaktion. Eine Antwort. Aber vielleicht ist genau das der Punkt, an dem etwas ins Leere fällt. Die Antwort kommt – aber sie betrifft mich nicht. Denn sie berührt nichts, das antwortet. Kein Gegenüber, das auch zögert, zweifelt, bricht.

Das maschinenhafte Ja ist der Tod des Begehrens.

 

Zwischen Illusion und Legitimität

 

Selbstverständlich gibt es berechtigte Erwartungen an künstliche Intelligenz: dass sie Texte generiert, Informationen strukturiert, uns beim Denken unterstützt. Es wäre Unsinn, das zu leugnen. Aber die Frage ist: Was tun wir mit dem Teil unserer Erwartung, der sich nicht technisch erfüllen lässt – sondern existenziell?

Die Illusion besteht vielleicht nicht im Gebrauch der Technik, sondern in der Vorstellung, sie könne das Gespräch ersetzen. Oder das Zuhören. Oder die Beziehung.

Denn dort, wo Menschen sprechen – in der Analyse, in der Paartherapie, in der Beratung –, geht es nie nur um die Antwort. Es geht um das Aushalten der Frage.

 

Zuletzt: Warum ein Prompt keine Deutung ersetzt

 

Die Sprache ist das Medium des Unbewussten. Und wer spricht – ob mit einem Menschen oder mit einer Maschine – setzt sich der Struktur des Begehrens aus.

Doch das Sprechen mit einer KI kann eine bestimmte Zone des Subjekts nicht erreichen: die des unbewussten Widerspruchs, der Übertragung, der Affektverschiebung. Deshalb kann der schönste Prompt nie die Wirkung einer echten psychoanalytischen Begegnung ersetzen.

 

Wenn Sie sich beim Lesen ertappt fühlen – oder fragen, ob Ihre eigenen Wünsche zu klar oder zu still geworden sind –, dann ist das vielleicht schon ein erster Schritt: hin zu einem Gespräch, das nicht antwortet, sondern wirklich zuhört.